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Podcast-Folge mit Ria Nolte und Stefan Burggraf von Frieling: Schulen digital! Doch Lehrer offline?

Autor: Stefan von Burggraf Frieling
Autor: Stefan von Burggraf Frieling

Geschäftsführer des Calleo Instituts

Inhaltsverzeichnis

In der Episode „Schulen digital! Doch Lehrer offline?“ des Podcasts MUTmachGeschichten mit RiNo spricht die Gastgeberin, Ria Nolte, mit dem Gründer und Geschäftsführer des Calleo Instituts, Stefan Burggraf von Frieling. Calleo ist ein Lehrerfortbildungsinstitut. Calleo greift mit seinen innovativen Konzepten sowohl wichtige Themen wie die Feedbackkultur im Unterricht als auch Fragen zur Unterrichtsqualität mithilfe digitaler Medien auf und vermittelt diese in praxisnahen Fortbildungen an Lehrkräfte aller Schulformen und Fächer. Das Besondere daran: In allen Calleo Fortbildungen unterrichten ausschließlich DozentInnen, die selbst als Lehrkräfte in der Schule tätig sind und es werden kostenfreie, lernwirksame Programme für die Unterrichtsgestaltung vorgestellt.

Und nun wünschen wir: Viel Spaß beim Reinhören und Lesen!

Hinweis: Zugunsten einer besseren Verständlichkeit wurden in der Leseversion Zwischenüberschriften eingefügt, einzelne Abschnitten und Exkurse geringfügig gekürzt, sprachlich angepasst oder durch weiterführende Informationen ergänzt.


Der Podcast zum Lesen

Digitalisierung ist nicht unbedingt digitaler Wandel.

Prolog: 75 Prozent aller Eltern sagen, sie haben zu wenig Zeit für ihre Schulkinder und machen sich deshalb Sorgen – doch nicht mehr lange. Denn in diesem Podcast erhalten Sie konkrete Anregungen, wie Sie endlich trotz aller Anforderungen mehr Zeit für sich und Ihre Kids haben. Ich bin Ria Nolte und los geht’s mit meinen MUTmachGeschichten. 

Ria: Manchmal wissen wir genau, was wir wissen. Manchmal wissen wir, was wir nicht wissen. Das ist dann der Moment, wo wir anfangen zu gucken, wie wir dieses Wissen erhalten können. Auch die Situation, wenn wir nicht wissen, was wir nicht wissen. Ist klar. Dann tangiert es uns nicht und es ist, als würden sich zwei Geraden im Raum aneinander vorbei bewegen. Es passiert nichts. Doch manchmal wissen wir nicht, was wir alles wissen. Und es gibt dann Situationen, in denen dieses Wissen plötzlich klar wird, in denen plötzlich Dinge aufflammen, die wir vor vielen, vielen Jahren schon einmal in einen Zusammenhang gehört haben, aber die vergraben lagen oder die wir in diesem Moment gar nicht gebraucht haben. Und ich denke, dass wir heute in einer dieser Situationen sind, in denen lange nicht genutztes Wissen plötzlich von ungeheurer Bedeutung wird. Wir sind in einer Phase der Veränderungen in allen Bereichen unseres Lebens. Ob es Schule ist, ob es Arbeit ist, ob es Gesellschaft ist, ob es Kultur, ob es Kunst ist. Alles formiert sich neu. Doch Digitalisierung ist nicht unbedingt digitaler Wandel. Das habe ich vor kurzem von einem Experten gehört, der mir die Augen geöffnet hat und diesen Experten habe ich mir natürlich sofort ans Mikrofon geholt. Und ich begrüße heute Abend ganz herzlich Stefan Burggraf von Frieling. Einen wunderschönen guten Abend!

Stefan: Schönen guten Abend Ria und vielen Dank für die Einladung! Es ist schön, heute hier zu sein.

Ria: Beginnen wir aber erst mal bei dir selbst. Du beschreibst dich als neugierig, ambitioniert und Kakaoliebhaber. Wie passt das zusammen?

Stefan: (lacht) Ich wusste nicht, dass du diese Frage nimmst, aber ja – der Kakaoliebhaber ist natürlich selbsterklärend. Ich bin von Natur aus neugierig. Das heißt: ich interessiere mich für ganz viele Bereiche, weil ich anknüpfend an dein Zitat immer das Gefühl habe: Es gibt da eine ganze Menge von Dingen, die ich noch nicht weiß. Und die erfahre ich erst, wenn ich mich über meinen Tellerrand hinaus aus meiner Komfortzone begebe und einmal schaue: „Was gibt es denn da eigentlich?“ Gleichzeitig habe ich den Anspruch, viele der neuen Ideen und Konzepte, die ich kennenlerne, in unserem Bildungsunternehmen Calleo auf einem sehr hohen Niveau umzusetzen. Vor diesem Hintergrund passen die drei Wörter, glaube ich, ganz gut zusammen.

 

Wie ist das Calleo Institut entstanden?

Ria: Du hast es gleich erwähnt. Du bist der Gründer und der Geschäftsführer des Unternehmens Calleo. Das ist ein Fortbildungsunternehmen. Könntest du dazu vielleicht ein paar Worte über die Geschichte und auch über die Entstehung dieses Unternehmen sagen und was dieses Unternehmen genau macht?

Stefan: Ja, gerne. Calleo wurde 2018 gegründet, es ist also noch ein relativ junges Unternehmen. Und es ist daraus entstanden, dass ich nach meinem Lehramtsstudium – du weißt, ich bin ursprünglich Gymnasiallehrer mit den Fächern Deutsch, Religion und Englisch – begonnen habe, an der Universität Marburg Lehraufträge zu geben in den Bereichen Lernpsychologie, Stress- und Zeitmanagement und eben auch zur digitalen Unterrichtsgestaltung.

Digitalisierung war dabei ehrlich gesagt eines der Themen, die ich anfangs gar nicht als richtigen Lerninhalt begriffen habe. Weil es für mich schon immer selbstverständlich war, digitale Medien in meiner eigenen Lehre zu verwenden. Das lag auch daran, dass es mir immer wichtig war, dass meine Studierenden meinem Unterricht gut folgen können. Du kennst vielleicht auch diese Situation: Du unterrichtest eine Lerneinheit mit deiner Klasse und am Ende fragst du die SchülerInnen: „Habt ihr das alle verstanden?“ Und die nicken alle nett. Und stellst du in der nächsten Stunde fest, dass ein Teil deiner Klasse die Inhalte gar nicht verstanden hat, aber sich nicht getraut hat, nachzufragen. In diesen Momenten  habe ich Feedback-Programme für mich als sehr, sehr wertvoll für meine Lehre begriffen. 

 

Calleo-Team Bild 2
Calleo ist ein 2018 gegründetes Fortbildungsinstitut, das jährlich hunderte Kollegien aller Schulformen im deutschsprachigen Raum mithilfe von praxisnahen Fortbildungen schult.

Auf diese Weise hat sich das Thema Digitaler Medieneinsatz im Unterricht nach und nach zu einem unserer Schwerpunkte beim Calleo Institut entwickelt. Indem digitale Medien in meinen Lehraufträgen, die ich zwischenzeitlich an etwa 20 Universitäten und Hochschulen innehatte, ein zentraler Bestandteil war und irgendwann die ersten staatlichen Lehrerfortbildungszentren und Kultusministerien gefragt haben: „Sie sind doch auch Lehrer und wir haben hier eine ganze Menge von Lehrkräften, die gerne lernen möchten, wie sie besser digital unterrichten können.” Vor diesem Hintergrund sind damals die ersten Workshops und mit ihnen das Calleo Institut entstanden. Heutzutage sind wir mit mehr als 50 Dozentinnen und Dozenten deutschlandweit eines der größten Fortbildungsinstitute und das einzige in dieser Größe, das auch wirklich nur Lehrkräfte als Dozentinnen und Dozenten beschäftigt.

 

Was bedeutet Feedbackkultur im Unterricht?

Ria: Das finde ich sehr interessant. Ich habe mir natürlich eure Seite angeschaut. Du hattest gerade von diesem Feedback-Programm gesprochen. Was genau bedeutet für euch Feedback?

Stefan: Feedback wird bei Calleo auf ganz unterschiedliche Art und Weise und auf mehreren Ebenen implementiert. Ich versuche das einmal herunterzubrechen. In meinem eigenen Unterricht und in meinen Seminaren verwende ich als Lehrkraft Feedback-Programme, um am Ende der Unterrichtseinheit meine SchülerInnen zu fragen: „Hast du das eigentlich verstanden? Welche Rückfragen hast du noch zum Thema?“ Das dabei erhobene Feedback hilft mir einzuschätzen, welchen Wissensstand jede(r) einzelne in meiner Klasse aktuell erreicht hat und meine eigene Wissensvermittlung so präzise auf meine Gruppe anzupassen und binnendifferenziert zu unterrichten. 

Feedback hilft mir aber auch dabei, die Qualität meiner Wissensvermittlung messbar zu machen. Und das ist etwas, das heutzutage glücklicherweise eine immer größere Rolle spielt. Lehrkräfte haben heute die Möglichkeit, die Qualität ihrer Wissensvermittlung selbst auszuwerten: „Wie gut habe ich diesen Unterrichtsgegenstand gerade vermittelt? Wie viel Prozent meiner SchülerInnen haben das eine und wie viele das andere Thema verstanden? Und wie kann ich diese Themen für meine SchülerInnen zukünftig möglicherweise selbst noch anschaulicher und lernwirksamer vermitteln? 

Wie wichtig ist Feedback für eure Fortbildungen?

Stefan: Eine weitere Ebene von Feedback betrifft unsere Fortbildungen bei Calleo und die Ausbildung unserer DozentInnen. Lehrkräften, die bei Calleo mit ihrer Fortbildungstätigkeit beginnen, lernen in ihrer DozentInnen-Ausbildung als erstes, dass wir Fehler nicht als ein Tadel begreifen – also nicht als etwas, das wir vermeiden möchten. Im Gegenteil: Wir wollen möglichst schnell viele Fehler machen, um einerseits sehr viel aus diesen Fehlern zu lernen und diese Fehler andererseits als Institut zukünftig auszuschließen. Und dafür ist Feedback unerlässlich. 

Das bedeutet für mich persönlich als Dozent zum Beispiel, dass ich bestimmte Inhalte im Laufe der vergangenen Jahre sicher schon hunderte Male vermittelt habe – und ich mir ich am Ende der Fortbildung dennoch jedes Mal von allen TeilnehmerInnen ein komplett anonymisiertes Feedback durch unsere Evaluation einhole. „Wie gut bewerte ich das Seminar auf einer Skala von 1 bis 5? Was kann der Dozent didaktisch und methodisch verbessern? Was kann Calleo als Institut in Zukunft noch besser machen und welche Vorgehensweisen sollten wir beibehalten?“ Diesen Fragen stelle ich mich auch noch nach 500 Fortbildungen, weil mir dieses Feedback wichtig ist und ich als Lehrperson daran wachsen kann. Und: durch das Feedback können sich alle DozentInnen von Calleo verbessern, weil wir unsere Konzepte kontinuierlich weiterentwickeln. 

 

Ich bin wahnsinnig stolz auf unser Team. Du weißt, Lehrerinnen und Lehrer sind nicht unbedingt die einfachste Klientel, die man sich aussuchen kann (Ria und Stefan lachen). Trotzdem haben wir bei Calleo so viele tolle Menschen, die jeden einzelnen Tag selbst unterrichten und die Lust haben, ihr Wissen an Lehrkräfte weiterzugeben. Calleo heißt ja wörtlich, „Wissen in die Praxis übertragen“. Eine andere Übersetzung des Lateinischen heißt soviel wie „ein dickes Fell haben“. Ich denke, beides trifft zu, denn das brauchst du, wenn du bei Calleo tätig bist (lacht). An Feedback wachsen aber nicht nur unsere Dozenten, sondern auch Calleo selbst. Das bedeutet, dass unsere Dozenten uns ebenso am Ende der Veranstaltung ein Feedback geben und mir Hinweise geben, wie wir sie noch besser unterstützen können. Das sind einige Aspekte unserer Feedbackkultur.

 

"Wir benötigen eine neue Fehlerkultur" - was meinst du damit?

Ria: Es war ja viele Jahre in der Schule so, dass man diesen typischen Weg des Lernens überhaupt nicht machen durfte, dieses Trial and Error, dieses Fehler und Irrtum. Ich glaube, wir kommen jetzt langsam wieder dahin zurück, indem wir sagen: „Leute, probiert erst mal etwas und dann schaut einmal, ob ihr diese Lösung habt, die da eigentlich im Lehrbuch steht. Und dann geht rückwärts und prüft, wo eure Fehler waren. Denn Fehler machen ist aus meiner Perspektive eine ganz, ganz wichtige Quelle des Lernens oder eine der wichtigsten Quellen des Lernens. Und du hast, deshalb musste ich vorhin noch so schmunzeln, mir ja so eine Anekdote mit an die Hand gegeben, die ich kurioserweise unmittelbar, nachdem du mir das gesagt hattest, von jemand völlig anderen in ganz kurzer Form genauso formuliert bekommen habe. Also vielleicht möchtest du die Anekdote mal kurz sagen. Ich fand sie hochinteressant und das drückt genau diese Feedbackkultur aus.

Stefan: Ja, gerne. In der Anekdote geht es um Thomas J. Watson, den ehemaligen Geschäftsführer von IBM, der eine sehr bekannte Persönlichkeit im 20. Jahrhundert war. Er hatte damals ein sehr großes Team und es gab dort einen jungen Mitarbeiter, der schon früh die Verantwortung für ein wirklich großes Projekt übernommen hatte. Ein substanzieller Fehler, der ihm bei seiner Arbeit unterlaufen ist, hat das Unternehmen damals wohl 600.000 Dollar gekostet. Denken wir uns kurz in diesen Mitarbeiter hinein, der am nächsten Tag in das oberste Stockwerk in das Chefbüro zitiert worden ist. Die Türen öffnen sich und er tritt Herrn Watson hochnervös gegenüber. Er erwartet selbstverständlich jeden Moment seine Kündigung und wendet sich deshalb an seinen Herrn Watson: „Ja, mir ist klar, dass Sie mich jetzt kündigen werden“. Herr Watson unterbricht ihn aber und antwortet „Ich werde nichts dergleichen tun. Ich habe schließlich gerade 600.000 Dollar in Ihre Ausbildung investiert.”

Auf eine ähnliche Weise ist übrigens auch unser digitales Ausbildungssystem bei Calleo entstanden. Unser Schulungssystem für DozentInnen enthält Hinweise, wie wir in Fortbildungen kommunizieren, wie sich das Lernklima der Gruppe verbessern lässt, wie welche Programme am besten vermittelt werden, oder was es als DozentIn zu vermeiden gilt. Der Gedanke dabei war, all das in hunderten Fortbildungen erlernte Wissen weiterzugeben, um neuen DozentInnen vergangene Fehler oder ineffektive Vorgehensweise von vornherein zu ersparen. Das Ziel ist es, dass unsere DozentInnen bereits bei ihrer ersten Fortbildung auf einem sehr, sehr hohen Vermittlungsniveau beginnen. Und das Feedback unserer DozentInnen hat uns in den letzten Jahren dabei geholfen, unser Schulungssystem immer weiter zu verbessern.

Welche Fähigkeiten benötigt man als Calleo DozentIn?

Ria: Du hast gesagt, vielleicht könnte man bei euch DozentIn werden. Wie kommt man dazu? Wird man angesprochen oder kann man sich dort anmelden bei euch? Wie geht das?

Stefan: Das ist sehr, sehr unterschiedlich. Wir suchen grundsätzlich immer fähige Dozentinnen und Dozenten (lacht). Zunächst sollte man definitiv Lehrkraft sein. Und das bitte nicht falsch verstehen. Ich denke, es gibt fantastische Lehrkräfte da draußen, die beispielsweise Quereinsteiger sind. Genauso wie nicht jeder, der ein Staatsexamen oder ein Masterstudium absolviert hat, automatisch perfekten Unterricht gibt. Aber für unsere Fortbildungen ist es wichtig, die methodischen und didaktischen Bedürfnisse von Lehrkräften zu kennen. Und diese können am besten von Menschen verstanden werden, die selbst jeden einzelnen Tag ihre eigenen Klassen unterrichten.

Wenn ich beispielsweise selbst Informatiker bin, bin ich wahrscheinlich sehr medienaffin, aber es wird mir viel schwerer fallen, ein Programm für den Unterricht so zu vermitteln, dass den TeilnehmerInnen nicht nur die Merkmale oder die technische Bedienung, sondern vor allem der Mehrwert für den Unterricht vermittelt wird. Wenn unsere FortbildungsteilnehmerInnen während beispielsweise fragen: „Theresa, wie verwendest du dieses Programm eigentlich?“ – dann kann unsere Dozentin darüber sprechen, wie sie es bereits für Unterrichtseinstiege oder Sicherungsphasen verwendet hat. Welche Vorteile des Programms für sie als Lehrkraft attraktiv sind. Das ist während einer Fortbildung einfach sehr überzeugend, auch weil die Vorstellung so transparent ist und jede Lehrkraft am Ende selbst entscheiden kann: „Ist das Programm etwas für mich oder nicht?“ Digitale Medien sollten den Unterricht – um auf dein Zitat zurückzukommen – wirklich bereichern. Digitalisierung ist nicht gleichbedeutend mit digitalem Wandel. Unserer Erfahrung findet in Schulen leider oft ein bloßes Ersetzen jener Vorgehensweisen statt, die zuvor analog waren. Ich denke, da entgeht einem ganz viel.

Wie digitalisiert man den Unterricht?

RiaCalleo unterstützt Schulen dabei, die Unterrichtsqualität mit praxisnahen und innovativen Fortbildungskonzepten sowie dem Einsatz digitaler Medien nachhaltig zu verbessern. Das ist das, was bei euch so als große Überschrift steht. Deshalb habe ich das jetzt auch ein bisschen abgelesen und dabei muss ich immer davon ausgehen, dass so viele sagen „Ja, wir können ja nicht digital arbeiten. Wir haben ja noch nicht die Materialien dazu. Wir bräuchten ja alle ein iPad und alle einen Computer und alles dies und jenes.”

Es ist aber aus meiner Perspektive ein falsches Herangehen, denn wir haben alle irgendwelche digitalen Medien, mit denen wir arbeiten. Durch die digitalen Medien gibt es die Möglichkeit, dass bestimmte Räume sich schließen, dass bestimmte Räume sich erweitern und dass andere Räume aufgemacht werden. Das bedeutet also nicht austauschen, sondern in die Zukunft denken. Den Unterricht organisieren. Wie siehst du das? Und welche Möglichkeiten habt ihr da schon den Schulen eröffnet? Das würde mich jetzt ganz dolle interessieren.

Digitalisierung darf kein einfaches Ersetzen herkömmlicher Unterrichtsmethoden sein.

Stefan: Ich denke, Digitalisierung darf kein einfaches Ersetzen herkömmlicher Unterrichtsmethoden sein. Du kennst vielleicht das mittlerweile sehr bekannte SAMR-Modell von [Ruben] Puentedura, das vier Stufen skizziert, auf denen sich Medien im Unterrichtsalltag implementieren lassen. Die erste Stufe kann dabei meines Erachtens vernachlässigt werden: das reine Ersetzen. Ein typisches Beispiel hierfür ist eine Lehrkraft, die zum Beispiel eine interaktive Tafel verwendet, diese aber als ganz normale Tafel verwendet. Sie erstellt darauf ein Tafelbild, wischt es nach der Stunde mit dem digitalen Schwamm wieder weg und wenn sie das Tafelbild in der nächsten Woche wieder benötigt, dann schreibt sie es erneut an. 

Du magst jetzt schmunzeln, weil du denkst: „Moment, das interaktive Tafelbild kann ich mir noch abspeichern.” Und das stimmt. Aber ganz viele Lehrkräfte an Schulen wissen nicht genau, welche Funktionen interaktive Tafeln eigentlich funktionieren besitzen. Und das ist auch nicht verwunderlich. Sie sind manchmal überhaupt nicht intuitiv konzipiert. Aber diese Situation ist ein einfaches Beispiel dafür, dass Medien manchmal vorhandene Möglichkeiten ersetzen, aber den Unterricht nicht zwangsläufig verbessern. Unterricht verbessert sich nicht, indem wir ihn digitalisieren, sondern einen größeren Mehrwert ermöglichen. 

 

Auf Stufe 2 kann dieser Mehrwert schon darin bestehen, dass ich als Lehrkraft eine deutliche Arbeitserleichterung oder eine Zeitersparnis habe. Wenn ich Tafelbilder beispielsweise nicht mehrfach aufschreiben muss oder im Englischunterricht mithilfe einer App eine Vokabel sowohl in britischer als auch amerikanischer Aussprache vorlesen lassen kann, ohne zwangsläufig beide Dialekte perfekt zu beherrschen. Ich kann mir das gesuchte Wort online direkt in mehreren Verwendungskontexten anzeigen lassen zusammen mit passenden Referenzbeispielen aus der Literatur. Versteh mich bitte nicht falsch: dieser eben beschriebene Mehrwert ändert den Unterricht noch nicht gänzlich. Wir sind immer noch relativ nah dran an dem Kassettenrecorder aus den 90er Jahren (beide lachen). Trotzdem bietet mir die Technik hier eine Arbeitserleichterung und das sieht jeder auf den ersten Blick eigentlich sehr schnell. 

Wann ist Medieneinsatz ein echter Mehrwert?

Spannend wird das SAMR-Modell meines Erachtens auf den Stufen 3 und 4, weil dieses kein reines Ersetzen, sondern eine tatsächliche Veränderung des Unterrichtens mit sich bringen. Auf diesen Ebenen beginnen Lehrkräfte meistens damit, sich bestimmte Fragen zu stellen. Zum Beispiel: „Welche methodischen Zugänge ermöglichen mir digitale Medien, die ohne sie nicht denkbar gewesen wären?“ Der Mehrwert digitaler Unterrichtsmethoden ist kontextabhängig. Das bedeutet, Unterricht kann sogar schlechter werden, wenn digitale Medien undifferenziert verwendet werden. Die Frage nach dem Mehrwert ist deshalb zentral für den Einsatz neuer Technik.

Einblick in das 2006 entwickelte SAMR-Modell nach Ruben Puentedura zur Reflexion, Analyse und Implementierung digitaler Medien in den Schulunterricht.

Ein einfaches Beispiel hierfür sind digitale Lernplakate, die gegenüber konventionellen eine ganze Reihe von Vorteilen bieten. Während bei konventionellen Plakaten für Lehrkräfte oft die Gefahr besteht, dass Texte von Wikipedia und anderen Ressourcen kopiert und eingesetzt werden, ermöglichen digitale Lernplakate den Einsatz von Sprachaufnahmen oder kurzen Erklärvideosequenzen. Das ist lernpsychologisch für das Erinnern der Lerninhalte einerseits wesentlich effektiver, weil die SchülerInnen Sachverhalte in eigenen Worten erklären und dabei selbst besser verstehen. Andererseits kann ich in bestimmten Fächern durch Sprach- und Videoaufzeichnungen weitere Kompetenzen überprüfen, ob z.B. das naturwissenschaftliche Experiment geglückt ist oder die fremdsprachliche Aussprache der SchülerInnen in ihrem Interview richtig ist.

Auf Stufe 4 treten übrigens oft Veränderungen auf, die das klassische Unterrichten selbst auf den Kopf stellen, beispielsweise das sog. flipped classroom model, also der umgedrehte Unterricht. Überspitzt gesagt, würde ein Deutschlehrer auf Stufe 4 fragen: „Warum sollte ich Jahr für Jahr in jeder neunten Klasse das Dramendreieck erklären? Bestimmte Themen sind in allen Fächern nicht sonderlich komplex, beispielsweise Grammatikinhalte in den Fremdsprachen oder der Satz des Pythagoras in Mathematik (beide lachen). Dennoch vermitteln wir sie als Lehrkräfte immer in Form einer Wissensvermittlungsphase während des Unterrichts, manchmal sogar ein Thema mehrere Male in einem Schuljahr oder über mehrere Jahrgänge. Die Fragen und Verständnisprobleme treten bei den SchülerInnen aber oft nicht in den Wissensvermittlungs-, sondern den Übungsphasen auf. Diese finden allerdings nicht selten in Form von Hausaufgaben ohne die helfende Lehrkraft statt oder werden aufgrund der zeitlich umfangreichen Wissensvermittlungsphase stark gekürzt. Umgedrehter Unterricht fragt an dieser Stelle sinngemäß: „Warum können wir diese inhaltlich identischen Wissensvermittlungsphasen nicht in Form leicht verständlicher Erklärvideosequenzen aufnehmen und sie unserer Klasse zur Vorbereitung auf den Unterricht bereitstellen? Dann hätten wir als Lehrkräfte während des Unterrichts viel mehr Zeit für die lernpsychologisch ohnehin entscheidenden Übungsphasen und können auch inhaltlich wesentlich tiefer in das Thema einsteigen. Dieses Modell gilt selbstverständlich nicht für alle Themen oder Bereiche des Lernens, auch weil es etwa ein Gegenmodell zum entdeckenden Lernen darstellt. Das bedeutet: auch hier ermöglicht die Digitalisierung von Unterricht nur dann einen Mehrwert in der Schullandschaft, wenn sie gezielt eingesetzt wird.

Ria: Übrigens im Zusammenhang mit dem Satz des Pythagoras. Ich sage bei der Einführung des pythagoreischen Tripels immer: „Damit habe ich schon tapeziert und gefließt.“ Ich denke, diese Praxissituationen sind wichtig. Und wenn ein Schüler das Thema im Lehrbuch noch nicht ganz verstanden hat, sage ich ihm: „Hol dir eine zweite Meinung ein.“ Ich habe ja auch schon eine Folge mit Lehrer Schmidt gemacht, der diese tollen Mathematik Videos macht. Meine Schüler dürfen in diesen Situationen ihr Handy nehmen – obwohl in der Schule das Handy normalerweise verboten ist – und das ganze bei Lehrer Schmidt noch einmal nachhorchen. Das ist natürlich die erste oder zweite Stufe und nicht die dritte und vierte Stufe. Aber es ist für mich schon faszinierend zu hören, in manchen Situationen, bin ich schon auf diesem Wege, aber in manchen Situationen benutze ich auch das Whiteboard noch mit Stiften.

Wie begegnest du skeptischen Lehrkräften?

Stefan: Meine letzte Fortbildung war einer netten kleinen Grundschule. Und das häufigste Argument an Grundschulen ist seitens der Bedenkenträger oft: „Müssen wir denn alles digitalisieren?“ Und diese Angst hemmt die Lehrkräfte oft dabei, sich dem Thema Medieneinsatz unvoreingenommen zu nähern. Deswegen ist mir ganz wichtig, am Anfang zu kommunizieren: Es geht nicht darum, alle Prozesse des Unterrichts zu digitalisieren. Damit können wir SchülerInnen manchmal sogar schaden. Eine Gymnasiallehrerin in einer fünften Klasse hat mir beispielsweise einmal gesagt: „Du Stefan, ich habe hier Schüler bekommen aus einer total digitalisierten Grundschule. Die können mit den Tablets super arbeiten. Sie können Fotos damit machen, sie können Farbfilter einstellen und noch vieles mehr. Aber wenn du ihnen eine Schere in die Hand gibst, dann sieht es düster aus.” Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir andere Kulturkompetenzen nicht vernachlässigen und auch Fähigkeiten wie die Motorik oder das freie Sprechen üben. 

Trotzdem gibt es viele Bereiche, in denen digitale Medien einen Mehrwert mit sich bringen, der auch diese Fähigkeiten noch besser unterstützt. In Skandinavien ist es zum Beispiel anders als in vielen deutschen Grundschulen normal, auch Schreibfertigkeiten der SchülerInnen mit einem Tablet zu unterstützen. Weil bestimmte Programme, mit denen Buchstaben mit dem Finger nachgezeichnet werden sollen, die Motorik gezielter und lernwirksamer schulen als ein Arbeitsblatt – indem sie etwa ein spezifisches Feedback in Echtzeit geben können, wo der Buchstabe nicht akkurat geschrieben worden ist und genau diesen Buchstaben häufiger wiederholen lassen. Natürlich muss ich als Lehrkraft zunächst für die Existenz derartiger Programme und deren Lernwirksamkeit sensibilisiert werden – und da sind wir in Deutschland, was die Digitalisierung als Gesamtprozess, aber auch die Ausbildung der Lehrkräfte angeht, aktuell sehr schlecht aufgestellt.

 

Du kennst bestimmte auch die Sonderauswertung der Pisa-Studie, in der 78 Länder während des ersten Lockdowns im Hinblick auf die digitale Kompetenz der Lehrkräfte verglichen worden sind. Deutschland belegt in dieser Selbsteinschätzung leider Platz 76 von 78. Und ich glaube das liegt auch daran, dass hierzulange Digitalisierung oft falsch verstanden wird, entweder als Irrglaube, man müsse alles digitalisieren, oder dass sie als methodische Spielerei missverstanden wird. Um dieses Missverständnis einmal direkt zu adressieren: Wenn ein Medium im Unterricht eine Spielerei darstellt, wenn ich damit also keinen Lerngewinn oder Vorteil gegenüber analogen Medien erzielen kann, dann sollte ich es nicht verwenden. 

In unseren Workshops arbeiten wir an dieser Stelle häufig mit dem Vergleich zu einem Handwerker. Ein Handwerker, beispielsweise ein Tischler, würde nie auf die Idee kommen, einen Hammer in die Hand zu nehmen und dann zu fragen: „Was mache ich jetzt damit?“ Der Hammer ist für ihn nützlich, wenn er einen Nagel ins Holz schlagen möchte, aber unsinnig, wenn er ein Maßband benötigt. Genau das passiert im Unterricht aber oft im Hinblick auf die Digitalisierung: Lehrkräfte verwenden ein digitales Medium – ohne ein konkretes Ziel damit zu verfolgen. Programme zur Wissensüberprüfung eignen sich beispielsweise hervorragend, um kontinuierlich den Leistungsstand der Klasse zu evaluieren und darauf aufbauend die Schwachen stärker fördern und die Starken fordern. Dennoch werden sie seitens eines Kollegiums oft methodisch missverstanden – etwa als Belohnung in der Stunde vor den Ferien verwendet oder als Quiz zwischendurch, um die Motivation zu steigern. In unseren Seminaren versuchen wir deshalb, sehr praxisnah an den Medien zu arbeiten und deren Lernwirksamkeit oder Arbeitserleichterung direkt während der Fortbildung erfahrbar zu machen und den jeweiligen Mehrwert im didaktischen Kontext zu besprechen.

Ria: Ich habe dich jetzt so verstanden, dass wir neue Medien auch benutzen, um den Erkennungseffekt zu schulen, um Systematisierung und Analysemöglichkeiten zu schulen und dann vielleicht sogar neue Möglichkeiten zu finden. Heute habe ich im Unterricht, weil es eben diese politische Situation gerade gibt und die Schüler der Meinung waren, sie müssten irgendetwas tun, den Schülern gesagt: „Machen wir ein Plakat und stellen es ins Internet.“ Und dann habe ich das Programm Canva angeboten und dieses Programm kannten die Schüler nicht. Aber das Faszinierende daran war, dass einige Schüler es sehr, sehr schnell sogar mit dem Handybildschirm Canva bedienen konnten. Ich musste ihnen nichts erklären, ich habe ihnen nur dieses Programm vorgegeben und sie haben ein ganz tolles Plakat entwickelt, das inszwischen online ist, viral geht und ausdrückt, dass wir in Frieden leben wollen. Das ist ein Mittel zum Zweck, für etwas ganz Neues, ganz Tolles – wäre das nicht auch ein Beispiel?

Stefan: Das ist ein tolles Beispiel. Und Canva ist eines dieser großartige Programme für den Unterricht. Ich kann als Lehrkraft, beispielsweise im Kunstunterricht, wunderbar sehen, was die SchülerInnen erstellen und kann ihnen in Echtzeit Feedback geben – sowohl im Präsenz- als auch im Distanzunterricht. 

Warum wir ein neues Lehrerbild brauchen

Stefan: Wir müssen in Zukunft über ein völlig neues Lehrerbild oder ein Lehrerinnenbild nachdenken. Und das betrifft meines Erachtens insbesondere die Fehlerkultur im Unterricht. In unseren Fortbildungen lernen wir beispielsweise oft Lehrkräfte kennen, die Medien zunächst pauschal als Spielerei oder zu oberflächlich abtun. Fachlich ist diese Einschätzung natürlich falsch, aber oft sind diese vermeintlichen Argumente gar nicht der Grund, warum Medien bisher nicht verwendet worden sind. Oft ist die Sorge vor Unsicherheit für die Lehrkräfte entscheidend – und die liegt in der Regel in einem unrealistischen, unzeitgemäßen LehrerInnenbild begründet.

Ich versuche, dir einmal ein Beispiel zu geben. Einige der Lehraufträge, die ich an Universitäten oder Hochschulen in der Vergangenheit innehatte, oder immer noch verfolge, führe ich an der Hochschule Hannover zum Thema Lernpsychologie durch. In diesem fachübergreifenden Seminar können sich interessierte Studierende aller Fachrichtungen anmelden und manchmal finden sich darunter technisch sehr versierte StudentInnen, z.B. InformatikerInnen. Die sind zwar nicht mediendidaktisch ausgebildet, wohl aber betriebssystemtechnisch und aufgrund ihres Studiengangs bringen sie ganz viele Kenntnisse mit. Einmal hatten mein Laptop zwei Minuten vor Seminarbeginn einen Totalausfall für kurze Zeit hat nichts mehr funktioniert.

Ria: Da fängt man als Lehrkraft oft an zu schwitzen (lacht)

Stefan: Früher wäre das mir sicher genauso ergangen. Heute begreife ich mich in meiner Rolle vor allem als Lehrperson. Das heißt, ich bin im Klassenzimmer der Experte für mein Fach und mein Unterrichtsthema – aber doch nicht Experte für alles. Deshalb ist es für mich in derartigen Situationen vollkommen in Ordnung, meine TeilnehmerInnen oder SchülerInnen um Rat zu bitten. Also habe ich in die Runde gefragt: „Wer von euch studiert Informatik?“ Fünf von zwanzig Studierenden haben sich gemeldet. „Super, kann mir jemand von euch kurz helfen?“ Und wenige Minuten später sage ich: „Wunderbar. Danke, dass du mir da geholfen hast, Torben“ und Torben antwortet: „Na klar, sagen Sie einfach Bescheid, wenn Sie mit dem Gerät Hilfe brauchen“ – und dann lachen wir beide. Meiner Erfahrung nach freuen sich TeilnehmerInnen, Studierende und SchülerInnen gleichermaßen, ihrer Lehrkraft auch einmal helfen bzw. einen Sachverhalt erklären oder einen Trick verraten zu können. Ich denke, diese Art von Transparenz ist auch wichtig für meine Klasse. Damit deutlich wird, dass ich als Mensch nie zu 100% perfekt bin, sondern genau wie jede(r) Schüler(in) Stärken und Schwächen besitze – diese vermeintlichen Schwächen machen uns im Unterricht authentisch und erleichtern zugleich eine Kommunikation auf Augenhöhe zwischen Lehrkraft und Klasse. Ich möchte, dass meine SchülerInnen wissen, dass es im Unterricht, im Privatleben genauso wie später während der Ausbildung oder im Beruf ganz natürlich ist, andere um Hilfe zu bitten und sich neues Wissen Schritt für Schritt anzueignen und sich weiterzuentwickeln.

Lehrkräfte, die beim Einsatz von neuen Medien zögern, sorgen sich sehr oft darum, dass am Anfang etwas nicht funktionieren könne. Sinngemäß ist der Gedankengang folgender: „Ich möchte als Lehrkraft eine gewisse Sicherheit ausstrahlen und wenn ich mit einem ganz neuen Medium arbeite, wirke ich womöglich unsicher und ich bin dann angreifbar. Was, wenn die SchülerInnen am Ende mehr wissen als ich?“ Meine Antwort an diese Lehrkräfte lautet: „Ja natürlich werden die Schüler über dieses Medium mehr wissen als du, wenn sie selbst damit häufiger arbeiten. Das ändert aber nichts an deiner Expertenrolle für dein Unterrichtsfach. daran, dass du als ExpertIn für dein Fach. Du verwendest das Medium schließlich nicht, weil du deine technische Kompetenz zeigen möchtest, sondern weil es für deine Wissensvermittlung einen Mehrwert hat – das sollte doch unser Anspruch sein.“ 

Und jetzt mal unter uns: Ich vermittle Schülern jeden einzelnen Tag, dass es wichtig ist, neue Inhalte zu lernen, dass sie fürs Leben lernen und bin dann als Lehrkraft selbst nicht bereit, mich in ein neues Medium einzuarbeiten? Dann stimmt etwas nicht im deutschen Schulsystem und deshalb brauchen wir ein neues, zeitgemäßes LehrerInnenbild.

Ria: Du sprichst mir da total aus dem Herzen Stefan. Vor einigen Monaten habe ich einen total faszinierenden Begriff in dem Zusammenhang für mich entdeckt. Und den möchte ich gerne in die Schulen tragen: Reverse Mentoring. Das heißt, ich bin als Lehrkraft sowohl Mentor als auch Menti und mein Menti ist auch mein Mentor. Das hat etwas mit einer ungeheuren Wertschätzung der Person mir gegenüber zu tun und es hebelt dieses Hierarchiedenken in der Schule aus. Und ich merke das jeden Tag aufs Neue, dass genau das mein Geheimnis ist, warum ich so gut oder in einer besonderen Art und Weise mit den Schülern kommunizieren kann. Sie sehen auf diese Weise, dass ich kritikfähig bin und dass ich Kritik annehmen kann. 

Natürlich mache auch ich gelegentlich Fehler in einer Situation, wenn ich emotional reagiere, weil ich den Schülern mitteilen will, dass mir bestimmte Dinge nicht gefallen oder dass ich mit bestimmten Dingen nicht einverstanden bin. In diesen Situationen sage ich im Nachhinein „Stimmt Leute, das war ein falscher Zungenschlag“ oder „Ich habe das nicht ganz richtig verstanden, das tut mir leid”, „Das nächste Mal machen wir es gemeinsam anders”. Und dann sind viele Schüler oft sehr glücklich darüber, weil sie lediglich gerne ihre Meinung kundtun wollten, aber gar keine Auseinandersetzung mit der Lehrkraft im Sinn hatten.

Schüler können schließlich wirklich bestimmte Dinge besser als ich. Warum sollte ich ihnen dann nicht sagen: „Komm, hilf mir einmal“ oder „Zeig es mir mal bitte“? Wir machen alle unsere Erfahrungen mit neuen Medien und das schafft zugleich die Möglichkeit, dieses neue Medium in unser Leben zu integrieren. Jeder hat seine besonderen Fähigkeiten und Kompetenzen und wir lernen gerade bei diesem Thema voneinander. 

Ich sage auch immer, dass sowohl die Schüler als auch ich mit bestimmten Zielen in den Unterricht kommen. Mein ist der Satz des Pythagoras – euer Ziel womöglich, während des Mathematikunterrichts die Physikhausaufgabe zu erledigen, weil ihr sie vergessen habt. Und dann treffen wir uns in der Mitte. Wenn ich es schaffe, mein Ziel zu erreichen und ihr dem Unterricht folgt, dann habt ihr am Ende vielleicht noch die Zeit, die Physikhausaufgabe in den letzten fünf Minuten fertigzustellen. Reverse Mentoring – der Begriff stammt übrigens von Anastasia Barner – ist für mich eine neue Art und Weise des Arbeitens miteinander und auf Augenhöhe in der Schule.

Stefan: Ja, das ist eine Metapher für das, was wir ja auch schon zum Feedback besprochen haben. Wenn ich mir als Lehrkraft ein Feedback von meiner Klasse zu meinem Unterricht einhole, dann befinde ich mich ja bereits auf Augenhöhe mit den SchülerInnen. Dann weiß ich, dass ich auch als Lehrkraft nicht jede Stunde perfekt unterrichte und ich mich auch weiterentwickeln kann.

Ria: Ja, wir sind fast am Ende unseres Interviews angelangt. Wir reden schon viel zu lange und es wird eine lange Episode, glaube ich. (beide lachen) Ich gebe meinen Zuhörern am Ende immer die Möglichkeit, von meinem Interviewpartner drei wichtige Tipps, Ideen oder Vorschläge zu bekommen, die sie schnell umsetzen können. Hast du etwas, dass du Eltern, Kindern oder Lehrkräften eventuell mitgeben kannst, um die Digitalisierung in ihrem eigenen Leben und Unterricht noch besser umzusetzen?

Stefan: Etwas, dass ich Schulleitungen gerne mitgeben würde, ist der Impuls, offen für Weiterentwicklung zu sein: „Wie kann ich die Schul- und Unterrichtsqualität an meiner Schule deutlich verbessern?” Vielen Schulleitungen ist dies unserer Erfahrung nicht bewusst, weil sie den Bedarf ihres Kollegiums noch nicht kennen. SchulleiterInnen fragen oft jahrelang ihre KollegInnen, was denn ihr Bedarf sei und erhalten meistens die Antwort: „Wir haben keinen Bedarf.“ Interessanterweise wird das selbst von jenen KollegInnen geäußert, die selbst seit Jahren nur Word und Powerpoint benutzen – die also mit ganz allgemeinen Programmen arbeiten, die mit Unterricht per se zunächst sehr wenig zu tun haben. Das bedeutet natürlich nicht, dass diese Lehrkräfte keinen Bedarf hätten, sondern vielmehr, dass viele KollegInnen mediendidaktisch so weit am Anfang stehen, dass sie gar nicht einschätzen können, was ihnen an digitalen Unterrichtsmethoden fehlt oder ihre Wissensvermittlung verbessern könnte.

Aus diesem Grund rate ich Schulleitungen, im Kollegium – ähnlich wie wir das in unseren Fortbildungen umsetzen – zunächst eine komplett anonymisierte Schulumfrage durchzuführen, die nicht nach dem Bedarf fragt, sondern stattdessen erhebt, welche konkreten Programme von den Lehrkräften bereits im Unterricht eingesetzt werden. Das erleichtert es den KollegInnen einerseits, eine ehrliche Rückmeldung ohne Wertung abzugeben und ermöglicht der Schulleitung andererseits, das Verbesserungspotential für die Unterrichtsqualität und damit zugleich den Ruf und die Qualität der Schule realistisch einzuschätzen. 

Den Lehrkräften, die bislang nur wenig Medien in ihrem Unterricht eingesetzt haben, würde ich sagen: „Habt Mut, euch auszuprobieren!“ In unserem aktuellen Bildungssystem erhalten viele Lehrkräfte nach ihrem Referendariat nur noch wenig bis gar kein Feedback – weder von anderen Lehrkräften noch von den SchülerInnen. Das ist inzwischen so normal geworden, dass Lehrerinnen und Lehrer manchmal sogar denken: „Wofür brauche ich Feedback, ich weiß doch selbst, was ich verbessern kann“ oder „Nach 30 Jahren Unterrichtserfahrung habe ich ausgelernt, was sollte ich noch dazulernen?“ Fakt ist, dass diese Lehrkräfte oft viel seltener die Möglichkeit hatten, sich wirklich methodisch, didaktisch oder kommunikativ weiterzuentwickeln, weil sie womöglich nie direkt damit konfrontiert worden sind, welche Aspekte in ihrem Unterricht nicht gut funktionieren oder wie sich diese – beispielsweise durch Medieneinsatz – schnell und einfach verbessern ließen. Diesen Lehrkräften würde ich sagen: „Traut euch an das neue Medium Schritt für Schritt heran und beginnt mit den Methoden, die euch den größten Mehrwert ermöglichen.

Das gilt übrigens unabhängig vom Alter. In unseren Fortbildungen haben wir manchmal Lehrkräften, die mir sagen: „Ach Stefan, ich bin schon ein bisschen älter und das ist ja auch eine Altersfrage”. Entschuldigt bitte meine Direktheut, aber das ist Quatsch. Medieneinsatz hat überhaupt nichts mit dem Alter zu tun, im Gegenteil: Ich kenne Kolleginnen und Kollegen mit 64 kurz vor der Rente, die die Medien zielgerichteter und vielfältiger einsetzen als junge Referendare. Medieneinsatz ist wie Fahrradfahren und erfordert lediglich Übung. Vor diesem Hintergrund mein Appell an alle Lehrkräfte und in Anlehnung an den Titel deines Podcasts, Ria: Seid mutig, traut euch und ihr werdet das einhundertprozentig schaffen.

Ria: Ich danke dir ganz herzlich! Ich bin unsagbar froh, dass wir so toll miteinander gesprochen haben, so viele Gedanken ausgetauscht haben und festgestellt haben, dass wir eigentlich sehr ähnlich ticken und dass wir im Endeffekt eigentlich die gleichen Ziele haben. Ich möchte jetzt zum Schluss einfach nur noch sagen. Seien wir mutig, freundlich und negativ. Dann wird jeder Tag positiv. Ich danke dir ganz herzlich.

Stefan: Vielen, vielen Dank Ria und auch vielen Dank noch mal für die Einladung.

Die Folge zum Reinhören auf Spotify & iTunes oder direkt als Download

Was unsere FortbildungsteilnehmerInnen sagen:

Sehr interessante Programme, nicht nur für Fremdsprachenunterricht
„Sehr interessante Programme, die nicht nur für den Fremdsprachenunterricht nutzbar sind, sondern auch allgemein für den Unterricht! Es wurde ein großer Raum für Nachfragen geboten.“
Laura Brandt
Hansagymnasium Stralsund
Lebendiges und aktivierendes Seminar
„Das Seminar war sehr gut, lebendig und aktivierend zugleich. Auf Fragen wurde immer wieder eingegangen und diese zufriedenstellend beantwortet.“
Michael Steinmann
Missionsgymnasium Bardel
Anschauliche Wissensvermittlung
„Die Veranstaltung war sehr anschaulich, die Anwendung übersichtlich und es wurde auf alle Fragen eingegangen!“
Mareike Beisteiner
St. Ursula-Schule Hannover
Viele Anregungen für die Gestaltung meines Unterrichts
„Ich habe viele Anregungen für die Gestaltung meines Unterrichtes erhalten. Ich habe einen guten Überblick erhalten - dafür vielen Dank auch an den Dozenten, der alles so gut erklärt hat!“
Julia Haberstroh
Gymnasium Hankensbüttel
Alle Inhalte wurden verständlich erklärt
„Die Veranstaltung war sehr informativ, ich habe viele neue Anregungen für meinen Unterricht und das Arbeiten zu Hause mitgenommen. Alle Inhalte und Vorgehensweisen wurden verständlich und umfassend erklärt und beschrieben.“
- Franziska Richter
Gymnasium Julianum Helmstedt
Sehr praxisorientiert mit vielen Beispielen
„Die Veranstaltung hat mir sehr gut gefallen, weil sie sehr praxisorientiert war und man viele Beispiele an die Hand bekommen hat, wie man die neuen Medien einfach und animierend im Unterricht einsetzen kann.“
Sophia Schulz
Geschwister-Scholl-Oberschule in Bad Laer
Praxisnahe Fortbildung - authentische Referentin
„Die Fortbildung war sehr praxisnah und wir hatten eine sehr authentische Referentin - man merkt, dass sie selbst diese Programme im Unterricht einsetzt!“
Tobias Stuckenberg
Paulus Schule in Oldenburg
Interessante und kreative Tools für meinen Onlineunterricht
„Ich habe interessante und kreative Tools für den (Online-)Unterricht kennengelernt. Der Referent hat unsere Gruppe sehr gut und sympathisch durch die Programme geführt und sie nachvollziehbar erklärt. Ich bin mir sicher, dass ich die Tools in Zukunft einsetzen werde.“
Laura Reckzeh
Regionales Berufliches Bildungszentrum, Fachgymnasium Stralsund
Praxisnah, informativ und spannend
„SEHR GUT! Praxisnah, informativ, spannend, auf die Schüler- und den Unterrichtsalltag bezogen. Viele Praxisübungen, wenig Input von vorne.“
Anna Lenzner
Edith-Stein-Realschule in KöIn
Hervorrangende Betreuung
„Die Onlinefortbildung zum Distanzunterricht war hervorragend. Unsere Dozentin war sehr kompetent, freundlich und ist flexibel auf alle Bedürfnisse eingegangen.“
Claas Dornhöfer
Studienseminar Cuxhaven
Die Veranstaltung war sehr praxisnah
„Das Angebot des Calleo Instituts hat uns sehr gefallen. Für uns als Schule ist es wichtig, auch mit kleinen Veränderungen viel erreichen zu können und die Durchführung der Veranstaltung war sehr praxisnah.“
Nadine Gohrs
Schulleiterin der Oberschule Esterwegen

Inhaltsverzeichnis

Interviewpartner: Stefan von Burggraf Frieling
Interviewpartner: Stefan von Burggraf Frieling

Geschäftsführer des Calleo Instituts

Stefan Burggraf von Frieling ist als Dozent an über 20 Universitäten tätig und ausgebildeter Gymnasiallehrer. Als Geschäftsführer des Calleo Instituts berät er Kultusministerien, Schulen und Führungskräfte in der Schullandschaft in den Bereichen Strategiemanagement, Digitalisierung & Lernpsychologie.

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Wir unterstützen Lehrkräfte bundesweit dabei, ihren Unterricht mithilfe von erfolgsbewährten, praxisnahen Konzepten nachhaltig zu verbessern und durch den Einsatz digitaler Medien noch lernwirksamer und spannender zu gestalten.

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