Drei Fallstricke bei der Konzeption Ihres Medienbildungskonzepts
Autor: Stefan von Burggraf Frieling
Geschäftsführer des Calleo Instituts
Inhaltsverzeichnis
Falls Sie selbst im Leitungsteam Ihrer Schule tätig sind, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Ihnen in den vergangenen Jahren nur wenige Aufgaben so viel inhaltliche Einarbeitung, strategische Koordination und kluges Projektmanagement gefordert haben wie Ihr schuleigenes Medienbildungskonzept.
Die folgenden Fallstricke sollen Ihnen dabei helfen, häufige Fehler bei der Planung, Konzeption und Umsetzung Ihres Medienbildungskonzepts zu vermeiden und Sie dabei unterstützen, den Einsatz und die Weiterentwicklung digitaler Unterrichtsmethoden an Ihrer Schule zu erleichtern.
Ihr Medienbildungskonzept
Welche Kompetenzen sollen in jedem Fach mithilfe digitaler Medien gefördert werden und in welchen Bereichen wird bewusst auf den Einsatz von Technik verzichtet? Welche Art von Ausstattung erlaubt es, Lehrkräften langfristig, passende fachspezifische Programme in die eigene Unterrichtsgestaltung zu
implementieren und somit die Unterrichtsqualität zu steigern? Wie ermutige ich mein Kollegium dazu, sein individuelles methodisches Repertoire digital zu erweitern, ohne dass sich ein Teil der Lehrkräfte während dieses Prozesses vernachlässigt oder übergangen fühlt?
„Das sind nur einige der Fragen, die Schulleitungen im Rahmen des DigitalPakts Schule zufriedenstellend beantworten müssen,
um sowohl die erfolgreiche Beantragung der erforderlichen technischen Ausstattung als auch die pädagogische Qualitätsentwicklung des Medieneinsatzes ihres Kollegiums sicherzustellen.“
Das sind nur einige der Fragen, die Schulleitungen im Rahmen des DigitalPakts Schule zufriedenstellend beantworten müssen, um sowohl die erfolgreiche Beantragung der erforderlichen technischen Ausstattung als auch die pädagogische Qualitätsentwicklung des Medieneinsatzes ihres Kollegiums sicherzustellen. Dass deren konkrete Beantwortung im Schulalltag oft als Überforderung empfunden wird, belegen eine ganze Reihe von Zahlen eindrucksvoll:
- 44% der deutschen Schulleiter/-innen halten ihre Lehrkräfte für pädagogisch und technisch gut genug ausgebildet, um digitale Lehrmethoden kompetent einzusetzen (vgl. Menkens 2020).
- 70% der Lehrkräfte halten Medieneinsatz für ihren größten
Fortbildungsbedarf (vgl. Sobreviela 2020. S. 2). - 76% der Schüler/-innen wünschen sich Schulungen zum digitalen Medieneinsatz für ihre Lehrkräfte (vgl. Hubig/Berg 2020).
- 87% der Deutschen sehen verpflichtende jährliche Medienfortbildungen für Lehrkräfte als erforderlich (vgl. Wößmann 2017).
Während die eben skizzierten Studienergebnisse nahelegen, dass die pädagogische Qualifizierung des Lehrpersonals im Hinblick auf gewinnbringende digitale Unterrichtskonzepte die Partizipation des gesamten Kollegiums beansprucht, verhindern strategische Fehler auf mehreren Ebenen die erfolgreiche Digitalisierung der eigenen Schule.
1. Fallstrick: Falsche Zielsetzung
Personalentwicklung, Professionalisierung, Organisationsentwicklung,
Öffentlichkeitsarbeit, Unterrichtsentwicklung – die Aufgaben eines
modernen Schulleitungsteams sind vielfältig. (vgl. Thie/Reinhardt 2018. S. 28 f.) Das Verfassen eines Medienbildungskonzepts wird daher nicht selten seitens der involvierten Lehrkräfte als Belastung wahrgenommen. Der Grundsatz des DigitalPakts, „Keine Ausstattung ohne förderungswürdiges Konzept“ lässt das Medienbildungskonzept deshalb auf den ersten Blick mitunter als Mittel zum Zweck erscheinen, bei dem die Finanzierung der gewünschten Hardware im Vordergrund steht und der konkrete pädagogische Nutzen der technischen Erneuerungen zunächst in den Hintergrund rückt. Der Umstand, dass die Vermittlung von Medienkompetenzen zwar von Seiten der Kultusministerkonferenz als Bildungsauftrag verstanden wird, allerdings die konkrete Verankerung in den meisten Lehrplänen der Bundesländer bislang ausstehen, erschwert die medienpädagogische Entwicklung in Schule zusätzlich (vgl. Berger/Wolling 2020. S. 24).
Medienbildungskonzepte, die primär die Ausstattung mit bestimmter Hardware vorsehen und dabei die inhaltliche Passung für die jeweilige Schulform, die individuelle Schülerklientel oder die eigenen pädagogischen Schwerpunkte vernachlässigen, laufen Gefahr:
- nicht bewilligt oder angemessen berücksichtigt zu werden, falls die Forderungen mit einer bestimmten technischen Ausstattung nicht pädagogisch plausibel gerechtfertigt wird und infolgedessen für den Schulträger beliebig erscheint.
- im Falle einer entsprechenden Ausstattung seitens des Kollegiums auf Ratlosigkeit und Unverständnis zu stoßen, wenn den Lehrkräften der pädagogische Sinn der neuen Geräte nicht ersichtlich ist und medienpädagogische Verbesserungsmöglichkeiten für den eigenen Unterricht nicht erkannt werden.
- lediglich die technischen Rahmenbedingungen der Schule zu verändern, ohne die Unterrichtsqualität durch den durchdachten Einsatz digitaler Tools, z.B. im Hinblick auf die Lernwirksamkeit zu verbessern.
- Chancen für die Steigerung der Attraktivität des Schulprofils, z.B. mit einer authentischen Positionierung als digitale Schule, zu unterschätzen.
2. Fallstrick: Fehlende Fachspezifizität
Bei der Konzeption eines professionellen Medienbildungskonzepts gilt es,
zahlreiche technische wie medienpädagogische Aspekte zu berücksichtigen. Dies bedarf nicht nur der Erfassung des aktuellen Ist-Zustands der schulischen Infrastruktur und des Kenntnisstands des Kollegiums, sondern auch die Bedarfserfassung des zukünftigen Soll-Zustands der schulischen Ausstattung, der didaktischen Zielsetzungen der Schule sowie des methodischen Repertoires ihrer Lehrkräfte. Letztere Aspekte finden dabei in der Regel im Kapitel »Fachspezifische Medienbildung« Erwähnung. Dieses widmet sich konkret der inhaltlichen Nutzung der Medien nach Fächern, Klassenstufen und Themen und exemplifiziert anschaulich die Förderung spezifischer Kompetenzen durch digitale Medien (vgl. ebd. S. 30 f. und 34). Damit dient die Übersicht einerseits dazu, den aktuellen medienpädagogischen Status der einzelnen Fächer zu erfassen und überdies zu veranschaulichen, welche digitalen Methoden bereits innerhalb des Kollegiums und der Fachgruppen standardisiert worden sind. Andererseits wird ihr eine präskriptive Funktion zuteil, indem ein Soll Zustand beschrieben wird, welche digitalen Programme mit welcher Funktion im Rahmen des jeweiligen Fachunterrichts genutzt werden sollen. Obwohl dem Kapitel »Fachspezifische Medienbildung« somit durch die inhaltliche Auseinandersetzung des gesamten Kollegiums mit konkreten Anwendungen eine Schlüsselrolle bei der digitalen Qualitätsentwicklung der Schule zukommt, wird es in der Erarbeitung des Medienbildungskonzepts oft vernachlässigt und nur oberflächlich behandelt. Der Grund hierfür ist praktischer Natur. In vielen Kollegien wird die Konzeption des Medienbildungskonzepts entweder einer medienaffinen Lehrkraft inner- oder außerhalb des Schulleitungsteams oder einer kleinen Steuergruppe zuteil.
Warum dieses Vorgehen Nachteile mit sich bringt, ist offenkundig. Lehrkräfte sind mit den didaktischen Bedürfnissen ihrer eigenen Fächer, nicht aber mit den Vorgehensweisen und Methoden anderer Fachdisziplinen vertraut, sodass die Umsetzung durch eine oder wenige Personen mehrere Probleme nach sich zieht:
- Welche konkreten Programme Lehrkräfte der Fremdsprachen, Naturwissenschaften, Gesellschaftswissenschaften oder in den künstlerisch-musischen Bereichen zur digitalen Umsetzung ihrer Unterrichtsziele benötigen, ist eine Aufgabe, der keine einzelne Lehrkraft, sondern nur das gesamte Kollegium durch einen didaktischen Austausch angemessen gerecht werden kann.
- Das ist insofern problematisch, da es sich beim Kapitel »Fachspezifische Medienbildung« um ein wichtiges Steuerungselement des Medienbildungskonzepts handelt, das alle Lehrkräfte eines Kollegiums direkt in ihrem fachspezifischen Unterrichtsalltag betrifft. Eine oberflächliche Auseinandersetzung hat deshalb zur Folge, dass weder kompetenzorientierte Nutzungsmöglichkeiten der technischen Ausstattung aufgezeigt werden noch das Entwicklungspotential für die unterschiedlichen Fachbereiche deutlich wird.
- Eine Standardisierung und Umsetzung jener digitalen Unterrichtsmethoden, die sich in den unterschiedlichen Fächern bewährt haben, wird so verhindert, da das Kollegium nicht in den didaktischen Entscheidungsprozess eingebunden und der Medieneinsatz demzufolge nicht allumfassend weiterentwickelt wird.
3. Fallstrick: Technische Grundlagen statt digitale Unterrichtsmethoden
Der finale Bestandteil klassischer Medienbildungskonzepte ist zu meist der Entwurf eines ganzheitlichen Konzepts zur Fort- und Weiterbildung des Kollegiums mit den neuen Geräten. Während darunter nicht selten Geräteschulungen oder die Einführung der schuleigenen Lernplattform verstanden werden, kommt die konkrete Auseinandersetzung mit didaktischen Möglichkeiten oft zu kurz. Höhere Lernwirksamkeit durch Medieneinsatz wird jedoch nicht allein durch die Anschaffung technischer Artefakte erzielt, sondern vielmehr durch die Entwicklung, Erprobung und Evaluation verschiedener pädagogischer Handlungskonzepte (vgl. Herzig 2014. S. 22). Im Mittelpunkt zeitgemäßer Medienbildungs- und Fortbildungskonzepte sollte daher nicht die technische Handhabung der Geräte, sondern insbesondere die mediendidaktische Kompetenz der Lehrperson stehen (vgl. Berger/Wolling 2020. S. 36.).
Medieneinsatz entfaltet seine lernpsychologische Wirkung, wenn Veränderungen auf der Ebene der Unterrichtsgestaltung einsetzen und hierfür bedarf es einer professionellen Aus- und Weiterbildung aller Lehrkräfte (vgl. lewin/Smith 2019.S. 34.; vgl. Herzig 2014. S. 14.) Das gilt umso mehr, da bislang nur an wenigen deutschen Universitäten die Möglichkeit für Lehramtsstudierende besteht, (vgl. Berger/Wolling 2020. S. 24 f.) ihre Medienkompetenzen im Hinblick auf die Unterrichtsgestaltung zu verbessern und Lehrkräfte eines Kollegiums daher häufig altersunabhängig einen hohen Fortbildungsbedarf aufweisen (vgl. döring/Wolling 2018. S. 13). Wird dieses Bedürfnis nicht in Form gezielter medienpädagogischer Impulse für das ganze Kollegium adressiert,
- droht der Einsatz digitaler Medien seitens der Lehrkräfte lediglich dazu, als Zusatzoption für die individuelle methodische Gestaltung des Unterrichts wahrgenommen zu werden
- entsteht der Eindruck, digitale Lehrmethoden als bloßen Ersatz gegenüber analogen Alternativen zu verstehen, ohne die lernpsychologischen und didaktischen Vorteile für die verschiedenen Anwendungsbereiche wie die Klassenführung, Erarbeitungsund Präsentationsphasen oder Wissensüberprüfungs- und Feedbackmethoden zu berücksichtigen.
- kann Schule ihrem Bildungsauftrag in Bezug auf die Vermittlung digitaler Kompetenzen weder fächerübergreifend noch fachspezifisch gerecht werden.
Sinnvoller Medieneinsatz in vier Schritten
Überzeugende Medienbildungskonzepte berücksichtigen nicht nur die individuellen Startvoraussetzungen eines Kollegiums. Sie gewährleisten neben der adressatengerechten technischen Ausstattung der Schule auch, dass die Wissensvermittlung durch eine lernwirksame Mediennutzung in jedem Fach zielorientiert erfolgt und stärken somit langfristig sowohl den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler als auch die Zufriedenheit der Lehrkräfte und die Attraktivität der Schule. Um die passgenaue Ausarbeitung des Medienbildungskonzepts und die langfristige Qualitätsentwicklung des digitalen Medieneinsatzes an Ihrer Schule sicherzustellen, empfehlen wir daher ein Vorgehen in vier Schritten:
1. Bedarfsanalyse des Ist-Zustands
Überprüfen Sie die aktuelle Medienkompetenz Ihrer Lehrkräfte mithilfe einer standardisierten und anonymisierten Umfrage, die nicht nur die schulform- und fachspezifischen Bedürfnisse der Lehrkräfte, sondern insbesondere die bereits konkret eingesetzten digitalen Lehrmethoden und deren Anwendungsbereich im Unterricht erfasst. Auf diese Weise neigen Sie als Schulleitungs- oder Medienteam nicht dazu, ihr Kollegium aufgrund der mediendidaktischen Kenntnisse zu über- oder unterschätzen und präzisieren die inhaltliche Auswahl Ihrer Fortbildungsschwerpunkte.
2. Fortbildung des Kollegiums
Schulen Sie Ihr gesamtes Kollegium mithilfe interner sowie externer Fortbildungen und differenzieren Sie bei der Qualifizierungsmaßnahme zwischen fächerübergreifenden und fachspezifischen digitalen Lehrmethoden. So entwickeln Sie zugleich die medienpädagogische Unterrichtsgestaltung aller Lehrkräfte weiter und werden auch den spezifischen Bedürfnissen der einzelnen Fachdisziplinen gerecht.
3. Reflexion und Standardisierung
Lassen Sie Ihre Lehrkräfte bereits während der Fortbildung und anschließend in den Fachgruppen gemeinsam anhand ihrer Erfahrungen reflektieren, welche der kennengelernten Medien den größten Mehrwert für die Unterrichtsgestaltung versprechen.
„Auf diese Weise neigen Sie als Schulleitungs- oder Medienteam nicht dazu, ihr Kollegium aufgrund der mediendidaktischen Kenntnisse zu über- oder unterschätzen und präzisieren die inhaltliche Auswahl Ihrer Fortbildungsschwerpunkte.“
Konkretisieren Sie in Ihrem Medienbildungskonzept anschließend, welche medienpädagogischen Inhalte fächerübergreifend eingeführt werden sollten und welche digitalen Lehrmethoden in welchen Fächern und Jahrgangsstufen zur Förderung bestimmter Kompetenzen implementiert werden sollen. Entscheiden Sie die Art Ihrer technischen Ausstattung so, dass die gewünschte didaktische Verfahrensweise passt.
4. Analyse und Weiterentwicklung
Legen Sie auf Basis der zuvor innerhalb des Kollegiums erfolgten fächerübergreifenden und fachspezifischen Reflexion der Fortbildungsinhalte fest, welche technische Ausstattung im Hinblick auf den aktuellen medienpädagogischen Bedarf der Lehrkräfte und die zu standardisierenden digitalen Unterrichtsmethoden geeignet erscheint. Wiederholen, dokumentieren und evaluieren Sie den Prozess in regelmäßigen Abständen, um die kontinuierliche Weiterentwicklung der medienpädagogischen Fähigkeiten des Lehrpersonals sicherzustellen.
Was Teilnehmer von unseren Lehrerfortbildungen zum Thema "Digitaler Medieneinsatz" sagen
Sehr interessante Programme, nicht nur für Fremdsprachenunterricht
Lebendiges und aktivierendes Seminar
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Alle Inhalte wurden verständlich erklärt
Sehr praxisorientiert mit vielen Beispielen
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Hervorrangende Betreuung
Die Veranstaltung war sehr praxisnah
Info
(Autor: Stefan Burggraf von Frieling)
In der Fachzeitschrift „SchulVerwaltung spezial 2022, 26 – 29 (Ausgabe 1),
Rubrik: Aus der Praxis – Medienbildungskonzept
Inhaltsverzeichnis
Interviewpartner: Stefan von Burggraf Frieling
Geschäftsführer des Calleo Instituts
Stefan Burggraf von Frieling ist als Dozent an über 20 Universitäten tätig und ausgebildeter Gymnasiallehrer. Als Geschäftsführer des Calleo Instituts berät er Kultusministerien, Schulen und Führungskräfte in der Schullandschaft in den Bereichen Strategiemanagement, Digitalisierung & Lernpsychologie.
Unsere Aufgabe
Wir unterstützen Lehrkräfte bundesweit dabei, ihren Unterricht mithilfe von erfolgsbewährten, praxisnahen Konzepten nachhaltig zu verbessern und durch den Einsatz digitaler Medien noch lernwirksamer und spannender zu gestalten.
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